Der Prozess der digitalen Transformation im deutschen Gesundheitswesen ist geprägt durch das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG), die elektronische Patientenakte (ePA) und steigende Anforderungen an Qualität, Effizienz und Patientenorientierung. Ein entscheidender Erfolgsfaktor rückt dabei zunehmend in den Fokus: Interoperabilität. Sie ist die Basis, damit digitale Systeme miteinander kommunizieren, Daten sinnvoll genutzt werden und Innovationen wirksam greifen. Für Krankenhäuser bedeutet das, sich intensiv mit technologischen Standards, regulatorischen Rahmenbedingungen und organisatorischen Fragen auseinanderzusetzen.
Interoperabilität – mehr als technische Vernetzung
Interoperabilität beschreibt die Fähigkeit verschiedener IT-Systeme, Daten auszutauschen, richtig zu verstehen und sinnvoll weiterzuverarbeiten. Es reicht nicht, wenn Daten nur von System A zu System B übertragen werden – sie müssen auch inhaltlich, strukturell und organisatorisch nachvollzogen werden können. Fachlich unterscheidet man dabei verschiedene Ebenen. Die technische Interoperabilität sorgt dafür, dass Systeme überhaupt verbunden sind, zum Beispiel über Netzwerke, Schnittstellen oder Übertragungsprotokolle. Die syntaktische (oder strukturierte) Interoperabilität stellt sicher, dass Daten in einem standardisierten Format vorliegen, sodass die empfangenden Systeme sie automatisch lesen und verarbeiten können. Die semantische Interoperabilität wiederum garantiert, dass die Bedeutung der ausgetauschten Daten überall gleich verstanden wird. Hier kommen standardisierte Begriffe wie SNOMED CT für medizinische Fachbegriffe oder LOINC für Labordaten ins Spiel. Schließlich beschäftigt sich die organisatorische Interoperabilität mit den internen Abläufen und Verantwortlichkeiten. Nur wenn die Mitarbeitenden entsprechend geschult sind und die Prozesse gut aufeinander abgestimmt sind, kann die technische Interoperabilität ihr volles Potenzial entfalten.
Warum Interoperabilität für Krankenhäuser essenziell ist
Krankenhäuser setzen heute auf IT-Systeme wie Klinikinformationssysteme (KIS), Radiologie- und Laborinformationssysteme, PACS-Archive, Medikationsmanagement, Patientenportale und viele spezielle Lösungen. Wenn diese Systeme nicht gut miteinander verbunden sind, entstehen sogenannte Datensilos, in denen Informationen nur schwer oder gar nicht weitergegeben werden können. Das führt oft zu doppelter oder fehlerhafter Dateneingabe, Verzögerungen im Behandlungsprozess, unvollständigen Patientenakten und erschwert die Nutzung von Daten für innovative Ansätze. In einem gut vernetzten System fließen elektronische Arztverordnungen direkt in die Apotheken- und Pflegesoftware, Laborergebnisse stehen standardisiert und in Echtzeit bereit und Gerätedaten von Monitoren oder Beatmungsgeräten werden automatisch in die Patientenakten eingetragen. Besonders wichtig ist auch, dass der Austausch zwischen verschiedenen Gesundheitsbereichen nahtlos funktioniert – etwa mit Hausärzten, Fachärzten oder Reha-Einrichtungen. Insgesamt ist die Interoperabilität die Grundlage, damit die Versorgung für Patienten kontinuierlich, effizient und auf sie zugeschnitten bleibt.
Wichtige Standards
HL7 Version 2 (V2) ist seit vielen Jahren der Standard, wenn es um den Austausch von Nachrichten im Krankenhaus geht. Es sorgt dafür, dass Abläufe wie die Aufnahme von Patienten, die Auftragserteilung für Labore oder die Übermittlung von Befunden reibungslos funktionieren. Ergänzt wird das Ganze durch HL7 CDA (Clinical Document Architecture), das sich auf strukturierte medizinische Dokumente spezialisiert hat, zum Beispiel Arztbriefe oder Entlassungsberichte. Obwohl beide Standards sich bewährt haben, stoßen sie bei Digitalisierungsprojekten immer häufiger an ihre Grenzen, weil sie ziemlich komplex, wenig flexibel sind und sich nicht optimal für webbasierte Anwendungen eignen.
Warum FHIR?
Fast Healthcare Interoperability Resources (FHIR) wurde entwickelt, um diese Defizite zu überwinden. FHIR basiert auf modernen Web-Technologien wie REST-APIs, JSON und XML. Statt große, allumfassende Nachrichten zu versenden, arbeitet es mit kleinen, unabhängigen Einheiten namens „Ressourcen“ – beispielsweise Patient, Diagnose oder Beobachtung. Diese Ressourcen können gezielt abgerufen, kombiniert und verarbeitet werden. Dadurch lassen sich Integrationsprojekte schneller umsetzen, mobile und cloudbasierte Anwendungen einfacher entwickeln und neue digitale Dienste (zum Beispiel KI-Anwendungen) effizient einbinden. FHIR bietet eine hohe Flexibilität, eine starke internationale Community und praxisnahe Implementierungshilfen. Damit ist FHIR nicht nur eine technische Lösung, sondern eine strategische Entscheidung für die Zukunft im Gesundheitswesen.
ISiK – der deutsche Rahmen für Interoperabilität
In deutschen Krankenhäusern ist der schnelle und sichere Austausch von Behandlungsdaten essenziell. Dabei schafft ISiK (Informationstechnische Systeme in Krankenhäusern), entwickelt von der gematik, hierfür eine verbindliche Grundlage. ISiK verbindet alle vor Ort eingesetzten IT-Systeme, sodass relevante Informationen direkt dort ankommen, wo sie gebraucht werden.
Basierend auf dem internationalen FHIR-Standard (Fast Healthcare Interoperability Resources) legt ISiK fest, wie zentrale Anwendungsfälle wie Patientenaufnahme, Diagnosen, Medikationen oder Behandlungsverläufe interoperabel abgebildet werden müssen. Das fördert einen medienbruchfreien Datenaustausch und verbessert die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Systemen im Krankenhaus. Die Implementierung von ISiK ist gesetzlich vorgeschrieben. Einige Module mussten bereits umgesetzt werden und weitere Module, wie beispielsweise die Terminplanung, sind bis Juli 2025 verpflichtend.
Weitere relevante Standards: IHE, DICOM, SNOMED CT und LOINC
Neben HL7 und FHIR spielen auch andere Standards eine wichtige Rolle. IHE (Integrating the Healthcare Enterprise) verbindet bestehende Standards in praxisnahen Integrationsprofilen, die Interoperabilität im klinischen Alltag ermöglichen. DICOM (Digital Imaging and Communications in Medicine) ist der Standard für den Austausch medizinischer Bilddaten, insbesondere in der Radiologie. SNOMED CT bietet eine umfassende medizinische Terminologie, die Diagnosen, Prozeduren und Befunde eindeutig beschreibt, während LOINC sich auf die Codierung von Labortests und klinischen Messwerten konzentriert. In Deutschland ist LOINC bereits weit verbreitet, während SNOMED CT durch die nationale Lizenz zunehmend an Relevanz gewinnt.
Herausforderungen: Legacy-Systeme, Ressourcen und Datenqualität
Der Weg zur Interoperabilität ist anspruchsvoll, denn viele Krankenhäuser arbeiten mit unterschiedlichen IT-Systemen, die oft auf veralteter Technologie basieren. Diese Legacy-Systeme unterstützen keine modernen Schnittstellen, was die Integration in eine interoperable Architektur erschwert. Proprietäre Datenformate machen es zudem schwer, neue Systeme anzuschließen und wenn keine einheitlichen Standards vorhanden sind, entstehen oft teure Sonderlösungen. Häufig fehlt es zudem an einer konsistenten Datenbasis mit einheitlichen Stammdaten, was den Weg zur Interoperabilität zusätzlich erschwert.
Um das Ganze voranzubringen, müssen Krankenhäuser klare Verantwortlichkeiten festlegen, die Mitarbeitenden gezielt schulen und neue Arbeitsabläufe aktiv einführen. Die IT-Abteilungen stehen dabei oft unter starkem Druck, weil sie zahlreiche Integrationsprojekte stemmen müssen, ohne den täglichen Betrieb zu vernachlässigen. Datenschutz- und IT-Sicherheitsanforderungen begleiten alle Projekte und machen klare Prozesse und Governance-Strukturen unverzichtbar. Besonders die Umstellung auf ISiK-konforme Schnittstellen ist kein rein technisches Update, sondern erfordert eine ganzheitliche Umstellung von Prozessen, Organisation und IT-Infrastruktur.
Was Krankenhäuser jetzt beachten sollten
Interoperabilität ist kein optionales Projekt, sondern eine Daueraufgabe, die fest in der Digitalisierungsstrategie der Klinik verankert sein muss. Krankenhäuser sollten ihre bestehende IT-Architektur umfassend analysieren, bestehende und geplante Schnittstellen evaluieren und Integrationsprojekte gezielt priorisieren. Enge Zusammenarbeit mit Herstellern und Dienstleistern sichert, dass neue Systeme FHIR- und ISiK-konform implementiert werden. Parallel dazu gilt es, Know-how im eigenen Team aufzubauen, Verantwortlichkeiten klar zu definieren und interne Prozesse so zu gestalten, dass Interoperabilität nicht nur möglich ist, sondern auch aktiv im Alltag genutzt wird.
Interoperabilität ist das Fundament der digitalen Transformation im Krankenhaus. Sie entscheidet darüber, ob Kliniken ihre Potenziale ausschöpfen oder in fragmentierten Insellösungen verharren. Mit Standards wie HL7, FHIR, ISiK, IHE, DICOM, SNOMED CT und LOINC stehen mächtige Werkzeuge bereit, um Systeme zu verbinden und Daten wirklich nutzbar zu machen. Krankenhäuser, die diese aktiv nutzen, schaffen eine effizientere IT-Architektur. Außerdem legen sie den Grundstein für patientenzentrierte Innovationen, bessere Versorgung und langfristige Zukunftssicherheit.