Cognitive Load im SAP-Alltag: Wie viel ist zu viel?

Von Transaktionen, T-Codes und tausend Tabs – warum der menschliche Faktor in SAP-Prozessen oft der limitierende ist

Stellen wir uns einen typischen Arbeitstag im SAP-Umfeld vor: Eine Sachbearbeiterin jongliert zwischen verschiedenen Modulen, verarbeitet Kundenanfragen, klärt Rückfragen mit der IT, dokumentiert Änderungen und versucht gleichzeitig, sich an neue Prozessvorgaben zu halten. Klingt stressig? Ist es auch – und das liegt nicht (nur) am System, sondern an einem unsichtbaren Begleiter: Cognitive Load.

Was ist Cognitive Load?

„Cognitive Load“, oder auf Deutsch „kognitive Belastung“, beschreibt die mentale Anstrengung, die beim Verarbeiten von Informationen auftritt. Unser Arbeitsgedächtnis ist begrenzt – und im SAP-Alltag oft schnell überfordert.

In der Psychologie unterscheidet man drei Arten von kognitiver Belastung:

  • Intrinsic Load: Die Komplexität der Aufgabe selbst – etwa das Buchen eines Wareneingangs.
  • Extraneous Load: Die Art und Weise, wie Informationen präsentiert werden – z. B. eine unübersichtliche Transaktionsmaske.
  • Germane Load: Die Anstrengung, die wir bewusst investieren, um zu lernen und Wissen aufzubauen.

Das Ziel in der Praxis: Extraneous Load minimieren, Germane Load fördern – und Intrinsic Load auf das notwendige Maß beschränken.

Cognitive Load trifft SAP: Alltag zwischen Standard und Sonderlocke

SAP-Systeme sind mächtig – aber ihre Nutzung verlangt einiges an mentaler Leistung. Besonders herausfordernd wird es, wenn…

  • … Benutzeroberflächen nicht intuitiv gestaltet sind.
  • … Schulungen auf PowerPoint-Folien statt am echten System stattfinden.
  • … Prozesse ständig angepasst werden, ohne dass ausreichend kommuniziert wird.
  • … Customizing-Lösungen Komplexität erhöhen statt reduzieren.

Die Folge: Nutzer geraten in kognitive Überlastung. Sie machen Fehler, arbeiten ineffizient, fühlen sich gestresst – oder weichen ganz auf „inoffizielle“ Workarounds aus.

Die Psychologie hinter dem System: Der Mensch im Mittelpunkt

Als SAP-Consultants, Projektleiterin oder Key-User haben wir nicht nur die technische, sondern auch die psychologische Architektur unserer Systeme in der Hand. Denn gute Prozesse berücksichtigen, wie Menschen Informationen verarbeiten – und wie viel sie gleichzeitig leisten können.

Ein paar Leitfragen helfen, Cognitive Load im SAP-Kontext kritisch zu hinterfragen:

  • Wie viele Klicks braucht es, um eine alltägliche Aufgabe zu erfüllen?
  • Sind Masken und Felder logisch angeordnet und beschriftet?
  • Gibt es redundante Schritte oder uneindeutige Fehlermeldungen?
  • Wie oft müssen Nutzer zwischen Systemen oder Kontexten wechseln?
  • Werden neue Mitarbeitende effizient eingelernt – oder erschlagen?

Was Unternehmen tun können

Cognitive Load ist kein individuelles Problem – es ist ein systemisches. Wer hier ansetzt, verbessert nicht nur die Usability, sondern steigert auch Effizienz und Zufriedenheit. Einige Hebel:

  • UX-Design ernst nehmen: Fiori, SAP BTP und Co. bieten die Chance, Oberflächen gezielter zu gestalten.
  • Training smarter denken: Microlearning, In-App-Hilfen und kontextbezogene Unterstützung statt Handbücher und Folien.
  • Prozessvereinfachung priorisieren: Weniger ist mehr – gerade im Standard.
  • Feedback einholen: Die besten Hinweise auf kognitive Überlastung kommen von denen, die täglich mit dem System arbeiten.

Fazit: Weniger denken – mehr verstehen

SAP-Systeme sind Werkzeuge. Je besser sie gestaltet sind, desto weniger müssen Menschen über ihre Nutzung nachdenken – und können sich auf das Verstehen und Handeln konzentrieren. Cognitive Load ist dabei ein wertvoller Indikator für die Qualität unserer Prozesse. Wer ihn ernst nimmt, schafft Systeme, die nicht nur funktionieren, sondern auch gerne genutzt werden.

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Nina Sauermann

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