Cloud Vendor Lock-In

In der heutigen Zeit der Cloud-Computing-Dienste und der wachsenden Beliebtheit von Hyperscalern wie Amazon Web Services (AWS), Microsoft Azure und Google Cloud Platform (GCP) sind viele Unternehmen bestrebt, ihre Anwendungen in die Cloud zu migrieren. Die Vorteile sind zahlreich: Skalierbarkeit, Flexibilität und Kosteneinsparungen. Allerdings gibt es auch eine Herausforderung, die bei der Migration auf eine Public Cloud Umgebung –insbesondere bei der Wahl eines Hyperscalers- auftreten kann: den sogenannten Vendor Lock-In. In diesem Blog-Beitrag werden wir uns primär mit dem Vendor Lock-In bei der Migration von Applikationen zu einem Hyperscaler auseinandersetzen und Möglichkeiten zur Reduktion dieser Abhängigkeit beleuchten.

Definition von Cloud Vendor Lock-In

Vendor Lock-In bezeichnet die Situation, in der ein Unternehmen aufgrund von technischen, vertraglichen oder wirtschaftlichen Gründen an einen bestimmten Anbieter gebunden ist und Schwierigkeiten hat, zu einem anderen Anbieter zu wechseln. Es entsteht, wenn die Integration einer Applikation mit den spezifischen Diensten eines Hyperscalers so tief ist, dass ein Wechsel zu einem anderen Anbieter erheblichen Aufwand und Kosten verursachen würde.

Abwägung der Vorteile

Während es von entscheidender Bedeutung ist, die Risiken eines Lock-In zu mindern, ist es ebenso wichtig, die Chancen und Vorteile bestimmter Cloud-Dienste zu bewerten. Jede Cloud-Plattform bietet einzigartige Funktionen, wie zum Beispiel erweiterte Analysen, KI/ML-Tools oder spezialisierte Dienste. Unternehmen müssen diese Vorteile bewerten und gegen die potenziellen Risiken abwägen, um eine fundierte Entscheidung zu treffen, die mit ihren langfristigen Geschäftszielen übereinstimmt.

Risikofaktoren

Bei der Nutzung einer Public Cloud Infrastruktur besteht das Risiko, dass Unternehmen stark von den spezifischen Diensten, APIs und Tools des Cloud-Anbieters abhängig werden. Die Integrationstiefe und die Verwendung proprietärer Technologien können den Wechsel zu einem anderen Anbieter oder zur eigenen Infrastruktur erschweren. Zudem können die Kosten für den Umzug von Daten und die Anpassung der Software erheblich sein. Diese Risiken sind insbesondere bei der Bereitstellung einer neuen Software oder der Migration einer bestehenden Software relevant.

Proprietäre Dienste

Der Einsatz von proprietären Lösungen bei der Migration zu einem Hyperscaler (diese bieten im Vergleich zu anderen Anbietern ein breiteres und tieferes Portfolio an proprietären Lösungen und Diensten an) kann das Vendor Lock-In-Problem verstärken. Wenn Unternehmen auf proprietäre Dienste und Technologien setzen, die spezifisch für einen Hyperscaler sind, wird die Abhängigkeit von diesem Anbieter erhöht. Mitarbeiter erwerben spezifisches Wissen und Erfahrungen im Umgang mit den proprietären Lösungen, das nur schwer auf andere Plattformen übertragen werden kann.

Integrationstiefe

Bei der Migration von Applikationen zu einem Public Cloud Anbieter ist es wichtig, die Integrationstiefe zu berücksichtigen. Je tiefer die Integration der Anwendung mit den spezifischen Diensten des Anbieters ist, desto schwieriger wird es, die Anwendung auf eine andere Plattform zu migrieren. Dies liegt daran, dass die Anwendung stark von den spezifischen APIs, Tools und Diensten des Anbieters abhängig ist, die möglicherweise nicht kompatibel oder in gleicher Form auf anderen Plattformen verfügbar sind. Diese Abhängigkeit kann zu einem Vendor Lock-In führen, der es schwierig macht, den Anbieter zu wechseln, ohne erheblichen Aufwand und Kosten zu verursachen.

Skills und Erfahrung

Im Rahmen einer Cloud Migration setzen sich IT-Abteilung und Fachbereiche der Unternehmen mit drei wesentlichen Anwendungsfällen auseinander. Neben der Migration von bestehenden Applikationen sind hierbei die Bereitstellung neuer Dienste sowie zentrale Dienste anzuführen. Bei der Nutzung proprietärer Lösung in diesen Bereichen entsteht das Problem, dass die nutzenden Mitarbeiter spezifisches Wissen und Erfahrungen sammeln, die nur schwer auf andere Plattformen übertragbar sind. Dies kann zu einer starken Bindung an den Anbieter und einem erschwerten Wechsel führen.

Verträge

Auch bei der Nutzung von Public Cloud Diensten ergeben sich vertragliche Pflichten, die sich über einen längeren Zeitraum erstrecken als durch das vielmals verwendetete “on demand” suggeriert wird. Um von Kosteneinsparungen profitieren zu können, binden sich Unternehmen sowohl zeitlich als auch umsatzseitig an einen Anbieter. Während bei der klassischen Bereitstellung von IT darauf geachtet wurde, einheitliche Laufzeiten zumindest für in sich abgeschlossene Applikationsblöcke zu erhalten, so wird dies bei der Nutzung einer Public Cloud Infrastruktur regelmäßig versäumt und der Anbieterwechsel scheidet somit allein durch monetäre Einschränkungen aus.

Möglichkeiten zur Reduktion der Abhängigkeiten

Die Risiken eines Vendor Lock-In können durch eine strategische Herangehensweise reduziert werden. Entscheidungsträger in Unternehmen haben die Aufgabe, die Abhängigkeit von spezifischen Lösungen zu minimieren und eine langfristige, flexibel skalierbare Cloud-Strategie zu entwickeln. Dazu gehört die sorgfältige Auswahl einer Public Cloud Plattform, die auf offenen Standards basiert und eine hohe Interoperabilität ermöglicht. Darüber hinaus können die folgenden Ansätze Unternehmen dabei helfen, dass Risiko eines Vendor Lock-In zu reduzieren:

 

 

  1. Verwendung von standardisierten Schnittstellen und Protokollen: Statt sich stark auf die spezifischen APIs und Tools eines Hyperscalers zu verlassen, können Unternehmen standardisierte Schnittstellen und Protokolle wie RESTful APIs oder OpenStack verwenden. Die Verwendung von Cloud-agnostischen Tools und Diensten ermöglicht eine größere Portabilität und Flexibilität. Zudem sollten Unternehmen die Integrationstiefe mit spezifischen Diensten des Anbieters kritisch prüfen und darauf achten, dass alternative Lösungen vorhanden sind, falls ein Wechsel erforderlich wird.
  2. Containerisierung und Nutzung von Kubernetes: Durch die Verwendung von Containern und des Containerorchestrierungssystems Kubernetes können Anwendungen unabhängig von der zugrunde liegenden Infrastruktur ausgeführt werden. Dadurch wird die Portabilität erhöht und die Abhängigkeit von spezifischen Hyperscalern verringert. Stellen Sie zudem sicher, dass Sie Zugriff auf Ihre Daten haben und dass diese in einem standardisierten Format gespeichert werden, um den Wechsel zu einem anderen Anbieter zu erleichtern.
  3. Multi-Cloud-Ansatz: Unternehmen können eine Multi-Cloud-Strategie verfolgen, bei der sie ihre Anwendungen auf mehreren Hyperscalern verteilen. Dadurch wird die Abhängigkeit von einem einzelnen Anbieter reduziert und die Flexibilität erhöht. Es ist jedoch zu beachten, dass dies auch zusätzlichen Aufwand in Bezug auf das Management und die Kosten mit sich bringen kann.
  4. Planen Sie die Migration sorgfältig und beginnen Sie mit weniger kritischen Teilen der Software, um Erfahrungen zu sammeln und Risiken zu minimieren. Eine Analyse der vorhandenen Softwarearchitektur und -abhängigkeiten hilft dabei, die Integrationstiefe zu verstehen und Alternativen zu evaluieren. Es kann sinnvoll sein, schrittweise zu migrieren, indem man zunächst weniger kritische Teile der Software in die Cloud verlagert und dann Erfahrungen sammelt, bevor man sich für einen vollständigen Umzug entscheidet. Zudem sollten Unternehmen sicherstellen, dass sie Zugriff auf ihre Daten haben und dass diese in einem standardisierten Format gespeichert werden, um den Wechsel zu einem anderen Anbieter zu erleichtern.
  5. Um das Problem des Wissenstransfers bei proprietären Lösungen zu bewältigen, sollten Unternehmen auf Best Practices setzen. Dazu gehören die Dokumentation von Prozessen und Konfigurationen, die Schulung und Zertifizierung von Mitarbeitern auf breiter Basis, die Einführung von Standardisierungsmaßnahmen und die Etablierung von internen Wissensaustauschprogrammen. Durch die Stärkung des allgemeinen Verständnisses und die breite Verteilung des Wissens können Unternehmen die Abhängigkeit von spezifischem Mitarbeiterwissen reduzieren.
  6. Auswahl von Anbietern und Diensten, die besonderes Augenmerk auf die Offenheit der Systeme und die Datensouveränität legen (z.B. Gaia-X). Gaia-X ist eine europäische Initiative, die darauf abzielt, eine vertrauenswürdige, sichere und datenschutzkonforme Dateninfrastruktur für Europa zu schaffen. Sie fördert die Interoperabilität und Portabilität von Daten und Anwendungen zwischen verschiedenen Anbietern. Unternehmen, die eine Public Cloud Plattform nutzen, die sich an Gaia-X beteiligt, haben somit die Möglichkeit, Anwendungen und Daten leichter zwischen verschiedenen Anbietern zu verschieben.
  7. Die britische Regierung gibt in einem Beitrag wesentliche Guidance für die Reduktion des Lock-In Risikos. Unternehmen sollten demnach einen transparenten Überblick über deren aktuelles und geplantes Cloud Portfolio sowie ein Verständnis über den bewusst eingegangenen Vendor Lock-In haben. Als weitere Möglichkeit werden zentrale Teams angeführt, in deren Verantwortung das Management eines Public Cloud Anbieters liegt und die Lösungen und Dienste zentralseitig bereitstellen um die Abhängigkeiten in den jeweiligen Teams zu reduzieren (z.B. Netzwerk- & Security Dienste).

Fazit

Vendor Lock-In kann bei der Migration von Applikationen zu einem Hyperscaler eine ernsthafte Herausforderung darstellen und ist daher ein wichtiger Aspekt bei der Entscheidung für eine Public Cloud Infrastruktur im Vergleich zu einer On-Premise-Lösung. Die Integrationstiefe und die Abhängigkeit von plattformspezifischen Diensten spielen dabei eine entscheidende Rolle. Unternehmen sollten sorgfältig abwägen, wie stark sie ihre Anwendungen in die spezifischen Dienste eines Hyperscalers integrieren und welche Möglichkeiten es gibt, die Abhängigkeit zu reduzieren. Die Verwendung standardisierter Schnittstellen, die Containerisierung von Anwendungen, eine Multi-Cloud-Strategie und die Vermeidung plattformspezifischer Dienste sind einige der Ansätze, um den Vendor Lock-In zu minimieren und die Flexibilität bei der Nutzung von Hyperscalern zu erhöhen. Mit einer proaktiven Herangehensweise können Unternehmen die Vorteile der Public Cloud nutzen und gleichzeitig die Abhängigkeit von einem einzelnen Anbieter reduzieren.

Eigene Worte

Vendor Lock-In gibt es seit jeher in der IT von Unternehmen. Während in der Vergangenheit die Risiken eines solchen Lock-In transparenter waren und in der Entscheidungsfindung berücksichtigt wurden, so werden diese vor allem in Bezug auf die Nutzung von Public Cloud Diensten oftmals nicht hinreichend berücksichtigt. Dies ist vor allem vor dem Hintergrund der Flexibilität ein nicht zu unterschätzendes unternehmerisches Risiko, denn die von Public Cloud Anbietern oftmals gelobte Flexibilität bedeutet auch, dass der Anbieter kurzfristig Funktionen oder Dienste einstellen kann und ein Exit Management beim Kunden nicht existiert.

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Fabian Brechlin

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