Vermutlich ist mittlerweile jeder auf irgendeine Art und Weise mit künstlicher Intelligenz (KI) in Kontakt gekommen oder hat zumindest schonmal davon gehört. Doch bevor wir tiefer einsteigen: Was ist KI eigentlich genau? KI ist ein Sammelbegriff für Algorithmen, die auf der Basis großer Datenmengen Muster erkennen, Entscheidungen treffen oder Aufgaben lösen können, die eigentlich menschliche Intelligenz erfordern würden. Das funktioniert über maschinelles Lernen oder das sogenannte Deep Learning, wodurch die KI aus den zur Verfügung gestellten Daten lernen kann.
Doch warum KI im Krankenhaus einsetzen?
Die Gesundheitsversorgung steht zunehmend unter Druck, den steigenden Bedarf und die Komplexität medizinischer Behandlungen erfüllen zu können. Ausgelöst wird dieser Druck mitunter durch den fortschreitenden demografischen Wandel, die zunehmende Anzahl chronischer Erkrankungen und den Fachkräftemangel. So kommen verschiedene Fragen seitens der Gesundheitsdienstleister auf. Wie lassen sich Betriebsabläufe effizienter gestalten, wie wird Personal entlastet und wie kann Patienten die beste Versorgungsqualität geboten werden? KI hat das Potenzial, die Antwort auf das Wie zu sein. Auch der Bevölkerung scheint das Potenzial von KI im Gesundheitswesen bewusst zu sein. Laut einer Umfrage halten 85 % der befragten Deutschen KI für eine riesige Chance in der Medizin und 71 % sagen, Ärzte sollten so oft wie möglich auf KI als Unterstützung zurückgreifen. Auch IT-Führungskräfte erkennen die Vorteile, die KI mit sich bringt, und sind bereit, mehr Geld dafür zu investieren. Aber was kann KI im Krankenhaus überhaupt leisten?
Das Potenzial von KI im Krankenhaus
Künstliche Intelligenz kann im Krankenhaus auf verschiedenen Ebenen eingesetzt werden. Beispielsweise in der medizinischen Diagnostik, bei der Entlastung von Personal und in der Steuerung interner Abläufe. Grundsätzlich geht es darum, große Datenmengen in kürzester Zeit auszuwerten, Muster zu erkennen und darauf aufbauend fundierte Vorschläge oder Entscheidungen abzuleiten. Genau diese Fähigkeit wird im Krankenhaus zunehmend gebraucht, damit Versorgung effizienter, präziser und nachhaltiger wird.
KI in der Diagnostik
Ein klassischer Anwendungsbereich ist die Unterstützung in der Diagnostik. KI-Systeme sind in der Lage, radiologische Bilddaten automatisch zu analysieren und Auffälligkeiten wie Lungenknoten oder Verkalkungen zu markieren. Das entlastet Radiologen bei Routineaufgaben und sorgt für mehr Sicherheit bei der Diagnosestellung, da Veränderungen erkannt werden können, die das menschliche Auge nicht wahrnehmen kann. Ein Beispiel dafür ist der AI-Rad Companion von Siemens Healthineers. Dieser wird bereits am Klinikum Braunschweig in der CT-Diagnostik eingesetzt.
Weniger Dokumentation, mehr Zeit für den Patienten
Auch bei der medizinischen Dokumentation zeigt KI ihr Potenzial, denn gerade in der Pflege oder auf der Intensivstation kann die Dokumentation ein enormer Zeitfaktor sein. Das System Mona vom Aachener Unternehmen Clinomic ermöglicht es, Informationen per Spracheingabe oder intuitiver Eingabemaske direkt am Patientenbett zu erfassen. Laut Angaben des Unternehmens hat sich die Sana Kliniken AG für die Lösungen von clinomic beziehungsweise für Mona entschieden. Und wo weniger Zeit für Formulararbeit draufgeht, bleibt mehr Zeit für die direkte Versorgung der Patienten.
Intelligente Planung im Hintergrund
Darüber hinaus kann KI auch dabei helfen, Abläufe im Hintergrund zu optimieren und zu automatisieren. Systeme zur prädiktiven Ressourcenplanung können anhand von Daten zum Beispiel abschätzen, wann und wo Engpässe bei Betten, Personal oder Verbrauchsmaterialien entstehen. Dann können frühzeitig Dienstpläne angepasst werden oder automatische Materialnachbestellung erfolgen. Das senkt nicht nur Kosten, sondern reduziert auch die Fehleranfälligkeit in klinischen Prozessen. Und letztlich profitieren auch die Patienten durch weniger Wartezeiten, weniger Unterbrechungen und eine insgesamt strukturiertere Versorgung.
Personalisierte Medizin
KI bringt außerdem das Potenzial für personalisierte Medizin mit sich. Durch die Kombination aus genetischen Informationen, Laborwerten und Behandlungsverläufen kann ein dafür ausgelegtes KI-System individuelle Risikoprofile erstellen oder Therapieentscheidungen datenbasiert unterstützen.
Abbau von Sprachbarrieren
Auch in der Kommunikation zeigt sich, wie KI zur Verbesserung beitragen kann. In der BDH-Klinik Greifswald kommt beispielsweise ein tragbarer KI-Übersetzer zum Einsatz, der über 100 Sprachen unterstützt. Besonders in Notfallsituationen oder im Erstkontakt mit fremdsprachigen Patienten kann das sowohl für das Personal als auch für die Patientensicherheit enorm hilfreich sein.
Natürlich sind dies nur ein paar Beispiele und das Potenzial von KI im Krankenhaus ist noch viel größer. Aber sie machen deutlich, dass KI im Krankenhaus nicht länger Zukunftsthema ist, sondern vielerorts bereits gelebte Realität. Die Chancen, die sich durch KI ergeben, sind enorm. Die Herausforderung dabei liegt nun darin, diese Technologien sinnvoll zu integrieren, damit sie zu mehr Effizienz und Sicherheit führen. Denn wenn KI richtig um- und eingesetzt wird, kann klinische Versorgung individueller, effizienter und entlastender für alle Beteiligten werden.
Was den Einsatz von KI (noch) ausbremst
So vielversprechend KI im Krankenhaus auch ist, es zeigt sich, dass es noch eine ganze Reihe an Hürden gibt, die einer flächendeckenden Einführung im Weg stehen. Diese Herausforderungen betreffen nicht nur die Technik, sondern auch Prozesse, Personal und Strukturen. Also eigentlich genau die Bereiche, in denen Krankenhäuser ohnehin bereits stark gefordert sind.
Datenqualität und Datenschutz
Viele KI-Anwendungen basieren auf der Analyse großer, strukturierter Datensätze. Doch genau daran mangelt es in vielen Häusern. Denn Daten liegen oft noch in unterschiedlichen Systemen ab, sind nicht standardisiert oder nur unzureichend gepflegt. Hinzu kommt, dass Gesundheitsdaten zu den sensibelsten überhaupt zählen und entsprechend hoch sind die Anforderungen an Datenschutz, Datensicherheit und Zugriffsregelungen. Gerade bei cloudbasierten Anwendungen (wie etwa dem AI-Rad Companion) müssen strikte DSGVO-Vorgaben eingehalten werden. Das ist ein Aufwand, der technisches und juristisches Know-how erfordert.
Integration in bestehende IT-Strukturen
Die technische Integration in die bestehende Krankenhaus-IT kann auch eine Herausforderung sein. Viele KI-Systeme funktionieren zwar prinzipiell, sind aber nicht ohne Weiteres an Krankenhausinformationssysteme (KIS), Laborsysteme oder Bilddatenarchivierungen (PACS) angebunden. Das führt dazu, dass einzelne Lösungen isoliert bleiben und kein durchgängiger Datenfluss entsteht. Gerade in Häusern mit komplexen IT-Strukturen, die über Jahre gewachsen sind, ist das ein häufig unterschätztes Problem. Denn nicht selten führt das zu doppelten Arbeitsschritten oder inkonsistenter Datenpflege.
Fachkräftemangel und fehlendes KI-Know-how
Der Fachkräftemangel ist ein Problem, das sich durch fast alle Bereiche zieht. Es fehlt schlicht an qualifizierten Fachkräften, die KI-Anwendungen nicht nur implementieren, sondern auch dauerhaft betreuen können. Oft fehlt Fachpersonal, um neue Technologien wie KI sinnvoll in den Betrieb zu integrieren. Schulung, Training und Change-Management sind aber notwendig, doch auch dafür braucht es Ressourcen, die vielerorts bereits knapp sind.
Akzeptanz im klinischen Alltag
Selbst wenn die Technik funktioniert, bleibt die Frage: Wird sie angenommen? Die Akzeptanz neuer Technologien ist oft abhängig davon, wie nachvollziehbar, zuverlässig und unterstützend sie wahrgenommen wird. Viele Mitarbeitende fürchten, durch KI ersetzt zu werden, andere empfinden sie als zusätzliche Belastung. Dabei kann KI gerade dann gut funktionieren, wenn sie als Unterstützung verstanden wird. Entscheidend ist deshalb eine klare Kommunikation, partizipative Einbindung und ausreichend Zeit, um mit neuen Systemen vertraut zu werden.
Regulatorik und Haftung
KI-Systeme im medizinischen Bereich unterliegen umfangreichen rechtlichen Anforderungen. Anwendungen, die eine direkte Auswirkung auf Diagnostik oder Therapie haben, gelten als Medizinprodukte und müssen entsprechend zugelassen sein – etwa nach EU-MDR oder dem Medizinproduktegesetz. Die EU-Verordnung zum Einsatz von KI (AI Act) wird hier voraussichtlich zusätzliche Pflichten bringen, etwa im Bereich Risikoklassifizierung, Transparenz oder Überwachung. Für Krankenhäuser bedeutet das, dass sie sich nicht nur auf die Technologie, sondern auch auf deren rechtlichen Rahmen vorbereiten müssen und das inklusive Fragen zur Haftung, Dokumentation und Qualitätssicherung.
Was jetzt zählt
KI wird im Krankenhaus gebraucht und es gibt schon Lösungen, die konkrete Probleme adressieren und für Entlastung sorgen können. Gleichzeitig ist aber auch klar, dass die Einführung von KI nicht einfach ist. Denn dabei müssen technische, organisatorische und kulturelle Hürden überwunden werden.
Damit KI im Versorgungsalltag tatsächlich einen nachhaltigen Mehrwert bietet, braucht es mehr als einzelne Tools, sondern eine Strategie, eine klare Zielsetzung, geeignete Rahmenbedingungen und nicht zuletzt Akzeptanz auf allen Ebenen eines Krankenhauses. Kliniken, die sich frühzeitig mit diesen Fragen beschäftigen, können langfristig von den Vorteilen von KI profitieren.
Aber was braucht es, damit KI im Krankenhaus sinnvoll eingesetzt werden kann? Welche technischen und organisatorischen Voraussetzungen müssen erfüllt sein? Welche Rolle spielen Datenqualität, IT-Infrastruktur und Governance? Und wie gelingt es, Mitarbeitende mitzunehmen, statt sie zu überfordern? Wie kann KI letztendlich wirklich zu einer Entlastung und besseren Patientenversorgung führen? All das sind zentrale Fragen, denn zwischen Vision und wirklicher Verbesserung der Versorgung liegt vor allem eines: Umsetzung.